Wenn ich ein Instrument übe, wie oft soll ich wiederholen?
Pro-Verhalten
Wir haben den Abschnitt oder eine schwierige Stelle eines Musikstückes – das kann auch nur ein Takt sein – erfolgreich gespielt. Nun wird die gleiche Stelle mindestens 5 Mal ohne Fehler wiederholt! Besser noch öfter.
Bei den Wiederholungen werden wir kontinuierlich LANGSAMER! Siehe auch „Ein Instrument üben – bewusst langsamer werden“
Vor den Wiederholungen machen wir eine Atempause und konzentrieren uns neuerlich auf die Herausforderungen, die im Ãœbungsabschnitt enthalten sind.
Wir erkennen bei den Wiederholungen, wo unsere Schwachpunkte liegen, und kennzeichnen sie mit dem roten Baustellensymbol oder anderen hilfreichen Anmerkungen.
Nachdem wir den Abschnitt geübt haben, ist er uns klar und bewusst, und kommt uns jetzt sehr einfach vor.
Begründung
Durch das unmittelbare Wiederholen vertiefen wir das Gelernte in unserem Gedächtnis – Prägungsgedächtnis. Machen wir den taktischen Fehler und spielen nach der gelungenen Stelle gleich weiter, haben wir zum einen keine Möglichkeit zur Vertiefung, und zum anderen überschreiben wir das Gelernte mit dem Folgenden.
Kontra-Verhalten
Wir haben einen Abschnitt oder Takt nach mehrmaligen Fehlversuchen lediglich EINMAL richtig gespielt. Nun spielen wir ohne zu wiederholen weiter im Stück.
Auswirkung
Durch unser Prägungsgedächtnis sind die vielen fehlerhaften Wiederholungen wesentlich tiefer abgespeichert als die eine ohne Fehler. Beim nächsten Mal spielen wir die Stelle daher abermals mit Fehlern. Dadurch kommt es zur weiteren Vertiefung der fehlerhaften Version.
Kommentar
Wenn wir ein Instrument regelmäßig üben, ist Unwissen über die Funktionen unseres Gehirns besonders fatal.
Unser Gehirn speichert unsere Handlungen OHNE Unterscheidung von richtig und falsch. In der Klärungsphase wurden viele fehlerhafte Versionen gespielt und auch so gespeichert. Es ist nun leider nicht möglich, unserem Gehirn den Befehl „falsche Versionen löschen“ zu geben. WIR glauben jedoch – oder wollen es glauben –, dass durch das einmalig richtige Spielen des Abschnittes die Stelle nun richtig gespeichert, und somit „gelernt“ wurde. Jetzt fängt jedoch das Ãœben der richtigen Version erst an!
ACHTUNG! Bei der dritten Wiederholung entstehen oft an der gleichen Stelle abermals Fehler.
Die Gründe dafür: Das Gehirn ermüdet schneller als uns bewusst ist; wir verlassen uns zu schnell auf unser Bewegungsgedächtnis und lassen die Konzentration zu früh sinken. Beachten wir dazu auch den Lehrsatz „Langsamer werden“. Deshalb machen wir vor den Wiederholungen Konzentrationspausen!
ACHTUNG! Trotz unseres Bemühens kann es bei vielen Wiederholungen in einer Endlosschleife – kein Anfang und kein Ende – abermals zu Fehlern kommen, obwohl man nun annehmen würde, dass das Geübte mit jeder Wiederholung immer besser wird.
Begründung: Unser Gehirn gewöhnt sich an Reize – Bewegungsmuster –, die immer wieder auftreten. Anmerkung: Im Buch „Werde Dein Lehrer“ wird im Glossar unter „Habituation“ und „Überüben“ dieses mentale Phänomen näher erörtert. Diese Reize werden als bedeutungslos eingestuft. Das Gelernte wird somit nicht mehr tiefer gespeichert oder sogar teilweise gelöscht.
Für eine weitere Vertiefung – Lerneffekt – müssen wir dem Gehirn eine sinnvolle Reizvariation – etwa mehr Kraft in der Bewegung, im musikalischen Ausdruck – anbieten, bzw. eine Pause einlegen.
Manche Stellen in Musik-Stücken und allgemeine technische Fähigkeiten – etwa die präzise Funktion unserer Fingermuskulatur – benötigen immer wieder Training durch Wiederholungen. Siehe im Buch Näheres unter „Wartung der Stücke“
Das fehlerfreie Wiederholen soll durch praktische Ãœbungen in den Workshops und im Coaching so vertieft werden, dass auch alleine zu Hause (ohne Lehrer!) beim Ãœben daran gedacht wird.